Leseprobe "Auf dass wir klug werden"

 

Meißen im Mai 1526

 

 

 

„Euer Gnaden! Euer Gnaden!“

 

Der Angesprochene - Herzog Georg von Sachsen - sah schon wieder Ärger auf sich zukommen. Kein Zweifel, die Hofmeisterin war aufgebracht. Aufgebracht war gar kein Ausdruck. Sie war offensichtlich in höchstem Maße empört.

 

Die Hofgesellschaft hatte sich nach Meißen begeben, um den blühenden Mai zu genießen. Majestätisch thronte die Albrechtsburg  auf ihrem Felsen über der Elbe, Sonnenschein lag auf den Weinbergen, von überallher dufteten Blumen und Obstbäume, doch dieses idyllische Bild wurde nun empfindlich gestört von der Hofmeisterin, die mit wehenden Gewändern auf dem Spazierweg am Fluss heranrauschte. Bei genauerem Hinsehen konnte man sogar erkennen, dass sie Staub aufwirbelte. Sie musste vollkommen außer sich sein, denn sonst hätte diese Frau, die der Herzog zur Erziehung seiner Schwiegertochter Elisabeth eingesetzt hatte, nicht selbst allen Anstand außer Acht gelassen und ihn schon von weitem angerufen.

 

Was mochte Elisabeth nun wieder angestellt haben? Herzog Georg war gespannt, ob diese Hofmeisterin ihn auch gleich bitten würde, die schwere Bürde, die er ihr in Form seiner kleinen, dünnen Schwiegertochter zugemutet hatte, wieder von ihr zu nehmen. Irgendwann hatte er aufgehört zu zählen, wie viele Hofmeisterinnen Elisabeth schon verschlissen hatte. Elisabeth war ungewöhnlich. In vielerlei Hinsicht. Sie war ungewöhnlich klug, selbstbewusst, stark und frei. Ihr Bruder Philipp hatte ihr Dinge beigebracht, die man bei wohlerzogenen Mädchen nicht vermuten durfte. Elisabeth konnte Steine übers Wasser springen lassen, was an sich noch harmlos war. Sie konnte aber auch Hofmeisterinnen zu Tode erschrecken, indem sie gellend auf ihren Fingern pfiff. Darüber hinaus musste sie außer ihrem Bruder noch andere Lehrmeister gehabt haben, denn sie gab bisweilen höchst unfeine Sprüche zum Besten, die sie als „alte hessische Weisheiten“ deklarierte. Damit nicht genug, konnte sie auch fluchen, als habe sie drei Heere zu führen, wie irgendeine Hofmeisterin sich ausgedrückt hatte.

 

Derlei Gedanken beschäftigten den Herzog, als er die aufgelöste Hofmeisterin auf sich zueilen sah.

 

„Euer Gnaden!“ rief sie noch einmal.

 

Herzog Georg wandte sich zu seinen beiden Begleitern um und entließ sie mit einem Kopfnicken. Hans von Schönberg und Heinrich von Schleinitz zogen sich zwar gehorsam zurück, blieben aber doch in sicherer Entfernung stehen, um noch genau hören zu können, was die werte Hofmeisterin vorzutragen hatte, die nun vollkommen außer Atem bei dem Herzog angekommen war.

 

„Ja, Frau von...“

 

„Köstritz. Gräfin Eleonore von Köstritz, wenn es Euer Gnaden beliebt.“

 

„Ja, ja, es beliebt. Erhebt Euch!“ forderte er ungeduldig die nicht mehr ganz junge Frau auf, die vor ihm in einen tiefen Hofknicks gefallen war. Da Herzog Georg fürchten musste, sie könne sich nicht mehr allein erheben, bot er ihr seine Hand, die sie äußerst dankbar ergriff.

 

„Nun, verehrte Gräfin Köstritz, Eure Angelegenheit scheint sehr dringend zu sein.“

 

„Allerdings, Euer Gnaden. Euer Gnaden haben mir vor kurzem die Güte erwiesen, mich zur Hofmeisterin Eurer Schwiegertochter zu berufen. Dafür bin ich Euer Gnaden auch sehr dankbar...“

 

„Das freut Uns wirklich sehr, Gräfin Köstritz. Dann ist ja alles in Ordnung. Wir befürchteten schon, Ihr wäret nicht zufrieden mit der Euch übertragenen Aufgabe.“

 

Nun schaute Herzog Georg in ein Gesicht, das innerhalb kürzester Zeit die mannigfaltigsten Schattierungen annahm. In der Köstritzschen Mimik kämpften untertänigster Respekt, Verzweiflung, Hoffnung auf Gnade und deutlicher Überlebenswille miteinander. In Bezug auf Elisabeth ging es der armen Frau offensichtlich um Leben und Tod.

 

„Euer Gnaden sind zu gütig“, brachte Frau von Köstritz schließlich stammelnd hervor, „doch fürchte ich, der mir übertragenen Aufgabe nicht mehr gewachsen zu sein.“ Fast sah sie erleichtert aus, dass ihr diese Worte gegenüber dem Herzog tatsächlich über die Lippen gekommen waren. Die Herren Schönberg und Schleinitz nickten einander befriedigt zu. Das waren wieder einmal gute Neuigkeiten.

 

„Nicht mehr? Aber Ihr seid doch erst seit drei Monaten Hofmeisterin“, sagte der Herzog in gespieltem Erstaunen.

 

„Euer Gnaden mögen mir gnädig sein, es sind genau zwei Monate, drei Wochen und fünf Tage. Die junge Herzogin ist zu viel für mich. Gerade eben hat sie mich in eine Situation gebracht. Eine Situation!“ Erschüttert legte die Gräfin eine Hand an ihre Stirne und seufzte.

 

Glücklicherweise hatte sie dabei die Augen geschlossen, denn so entging ihr, dass sich die Augenbrauen des Herzogs bedrohlich zusammengezurrt hatten.

 

„Was für eine Situation?“ fragte der Herzog, der es nicht liebte, wenn man sich ihm gegenüber nicht klar und deutlich ausdrückte. Die Gräfin, der sofort bewusst wurde, dass sie sich nun beherrschen musste, wollte sie den Herzog nicht verärgern, stand nun geradezu stramm vor ihrem Herrn.

 

„Euer Gnaden mögen mir vergeben, aber das kann ich Euer Gnaden beim besten Willen nicht sagen.“

 

„Wir werden keineswegs gnädig oder gütig sein oder Euch vergeben, wenn Ihr nicht augenblicklich erzählt, was vorgefallen ist.“ Der Herzog war mit seiner Geduld am Ende.

 

Schleinitz und Schönberg wagten kaum zu atmen und neigten sich vor, um jedes Wort aufzunehmen, denn nun berichtete Gräfin Köstritz stockend, dass sie mit Elisabeth am Fluss entlang gegangen sei. Wieder einmal habe sie vergeblich versucht, ihr beizubringen, wie man fürstlich einherschreite. Elisabeth habe nur geantwortet, dass sie kein Gaul sei, dem man Gangarten beibringen könne, und als sie dann in die Weinberge hinaufgestiegen seien, habe sie gerade ihr zum Trotz zwei Treppenstufen auf einmal genommen. Dort zwischen den Reben habe ein Mann gestanden und etwas getan... etwas ganz und gar unaussprechliches getan. Die Gräfin habe Elisabeth entsetzt gebeten, sich abzuwenden und wollte einen anderen Weg einschlagen, nur fort von diesem schamlosen Menschen. Doch Elisabeth habe ihm etwas zugerufen, einen Reim, nein, also das komme einer Gräfin von Köstritz beim besten Willen nicht über die Lippen.

 

Herzog Georg folgerte, dass ein Spaziergänger, der sich unbeobachtet geglaubt, sein Wasser abgeschlagen und Elisabeth eine ihrer alten hessischen Weisheiten zum Besten gegeben hatte.

 

Der Herzog seufzte. Er hatte Elisabeths Mutter Anna und ihren Vater Wilhelm gut gekannt. Er hatte gemeinsam mit Elisabeth, ihrem Bruder Philipp und Anna am Sterbebett Wilhelms gestanden und Anna getröstet. Er hatte Anna unterstützt, als die hessische Ritterschaft das Testament Wilhelms nicht anerkennen und Anna sogar den Sohn wegnehmen wollte. Anna war eine starke Frau gewesen, klug und schön. Davon hatte sie viel an ihre Tochter weitergegeben. Aber Elisabeths Jugend war gekennzeichnet gewesen vom Kampf ihrer Mutter um den Sohn und um die Herrschaft. Auch von Entbehrungen, denn die Regenten und Vormünder hatten sich geweigert, Anna und Elisabeth angemessen auszustatten. Viel zu oft war Anna unterwegs gewesen auf Reichstagen und Landtagen. Elisabeth war bei ihrer Amme in Marburg, Spangenberg und Felsberg aufgewachsen. Der Umgang dort war offensichtlich alles andere als fürstlich gewesen. Sicher hatte sie dort all die Dinge gelernt, die ihr am Hofe zu Dresden nicht gerade weiterhalfen.

 

Immer hatten sich Mutter und Tochter sehr nahe gestanden. Es war nun genau ein Jahr her, dass Anna gestorben war. Elisabeth hatte den Tod ihrer Mutter noch nicht verwunden. Auch wenn sie in Gesellschaft ein fröhliches Gesicht zeigte, wusste Herzog Georg doch, dass der Tod ihrer Mutter nur ein Leid unter vielen war.

 

Er atmete tief durch und schaute die Gräfin an, die schnell ihren Blick senkte.

 

„Es ist gut, Gräfin Köstritz. Ihr dürft Euch zurückziehen. Ihr seid fortan beurlaubt.“

 

Die Gräfin verneigte sich tief und eilte davon.

 

Herzog Georg wandte sich zu seinen beiden Dienern um. Sofort schnellten sie aus ihrer vorgeneigten Haltung empor und Schleinitz nahm hastig seine Hand, die er hinter eine seiner großen Ohrmuscheln gelegt hatte, auf den Rücken. Vergeblich bemühte man sich, so unbeteiligt wie möglich auszusehen.

 

„Wir möchten Herzogin Elisabeth sprechen. - Oder nein, wartet! Herzog Hans! Bringt Uns Herzog Hans! Wir werden dort drüben in der Laube auf ihn warten.“

 

Wortlos verneigten sich die beiden und verschwanden. Schleinitz machte sich geflissentlich auf die Suche nach dem jungen Herzog, während Schönberg mit freudig federnden Schritten der guten Gräfin Köstritz auf den Fersen war, um vielleicht doch noch zu erfahren, was Elisabeth gesagt hatte.

 

Der Herzog ließ seinen Blick über den Fluss schweifen. Nicht nur sein Hofstaat hatte sich bunt über die Flussaue verteilt, auch die Meißner Bürger nutzten das schöne Wetter, um ihre Familien auszuführen. Kein Schleppkahn war an diesem Sonntag unterwegs, nur kleine Boote, in denen die Meißner Jugend den Sonntag genoss. Burschen in Hemdsärmeln versuchten wohl, die Mädchen mit ihren Ruderkünsten zu beeindrucken. Ob es gelang, war auf die Entfernung nicht auszumachen.

 

Langsam ging Herzog Georg hinüber zu der Laube, die seine Gemahlin Barbara besonders liebte. Die wenigen Stunden, die er mit ihr gemeinsam verbringen konnte, genoss sie immer sehr. Auch mit Elisabeth hatte er schon oft hier gesessen und geredet. Sie war eine gute Gesprächspartnerin, wie man sie selten unter den jungen Frauen fand. 

 

Es dauerte nicht lange und Herzog Johann erschien. Es hatte ihn einige Mühen gekostet, Herrn von Schleinitz davon zu überzeugen, dass er durchaus in der Lage sei, die Laube am Fluss allein zu finden. Er eilte, und als er nahe genug war, um die Miene seines Vaters zu deuten, beschleunigte er seinen Schritt, bis er etwas außer Atem in der Laube stand, in der sein Vater sich auf einer Bank niedergelassen hatte.

 

„Mein Herr Vater, Ihr habt mich rufen lassen.“ Johann verneigte sich tief.

 

„Ja, Hans.“ Dann schwieg der Herzog schwieg und blickte hinaus auf den Fluss, ohne seinem Sohn zu erlauben sich zu setzen. Johann wurde leicht unruhig und begann, von einem Bein aufs andere zu treten. Er konnte sich denken, über welches Thema sein Vater mit ihm sprechen wollte. Das Schweigen des Herzogs wurde Johann unangenehm. Er wollte seinen Vater nicht anschauen und begann stattdessen, die Malereien im Inneren der Laube zu betrachten. Irgendwo zirpte eine Grille.

 

„Die Hofmeisterin Ihrer Gemahlin war gerade bei Uns.“ Johann holte tief Luft, doch ehe er etwas erwidern konnte, fuhr sein Vater fort: „Sie hat Uns geradezu angefleht, sie von ihrer Aufgabe zu entbinden.“

 

„Das tut mir sehr leid, Vater!“ sagte Johann leise und schaute seinen Vater von unten herauf an, obwohl sein Vater doch saß und er selber stand. Johann fragte sich immer wieder, wie sein Vater es bewerkstelligte, dass man immer zu ihm aufsehen musste, ganz gleich, in welcher Position man gerade war. Johann spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.

 

„Elisabeth hat eine ihrer alten hessischen Weisheiten von sich gegeben. Die Hofmeisterin hat sich strikt geweigert, Elisabeths Worte zu wiederholen.“

 

Johann schwieg und sah betreten auf seine Schuhe. Er war ein Mann von beinahe achtundzwanzig Jahren, er war seit zehn Jahren verheiratet, wurde von seinem Vater wie in Kindertagen mit Hans angesprochen und bekam Herzklopfen, wenn sein Vater ihn tadelte.

 

„Ich werde mit ihr sprechen“, brachte er schließlich heraus und hoffte, sein Vater werde ihn damit entlassen.

 

„Das haben Sie Uns nach jeder Hofmeisterin, die Elisabeth innerhalb der letzten Jahre in die Flucht geschlagen hat, gesagt. Es wird nicht genügen, nur mit ihr zu sprechen. Sie müssen auf sie einwirken. Es muss etwas geschehen. So geht das nicht weiter.“

 

Johanns Herzklopfen steigerte sich. Seine Eltern hatten Elisabeth für ihn ausgesucht. Ergeben hatte er sich damals in die längst verabredete Ehe gefügt. Nun machte diese Frau nichts als Scherereien und er saß auf der Anklagebank, ganz so, als hätte er sie sich ausgesucht. Wieder einmal kochte Groll in Johann auf. Doch anstatt sich zu verteidigen, schwieg er. Zu seiner Erleichterung kam sein Vater nun selbst darauf, dass Johann an dieser Verbindung die allerwenigste Schuld traf, denn der Herzog sagte: „Mit Hessen besteht nun einmal eine Erbverbrüderung. Da muss geheiratet werden. Vielleicht hätten Wir Elisabeth zu Uns nehmen und hier erziehen sollen.“ Nach einem kurzen Nachdenken fügte er hinzu: „Aber das hätte ihre Mutter niemals geduldet. Wir wissen, dass sie auch ihre guten Seiten hat. Ja, sie ist schon eine gute Frau. Wir schätzen die Gespräche mit ihr. Sie ist klug. Sie stellt Fragen, denen nicht jeder gewachsen ist. Wir unterhalten Uns ausgesprochen gerne mit ihr. Auch mit Uns spricht sie vollkommen unbefangen; ganz so als seien Wir ein alter Bekannter und nicht der Herzog von Sachsen.“ Er strich sich dabei über den kurzen, immer ordentlich gestutzten Bart, wie er es immer tat, wenn er leicht verärgert war. Hier wurde Herzog Johann unruhig. „Ich bitte Euer Gnaden, dies nicht als Respektlosigkeit auszulegen. Mit Gott spricht sie ganz genau so“, sagte er und als sein Vater fragend die Augenbrauen hob, fügte er hinzu: „Sie spricht ihre Gebete immer laut. Und mit Gott redet sie so unbefangen und freimütig wie mit Euch.“

 

„Ach! Mit dem allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde steht Ihre Gemahlin also auch auf vertrautem Fuß. Da dürfen Wir Uns wohl geschmeichelt fühlen!“ stellte der Herzog fest.

 

Johann, der weit davon entfernt war, Scherze seines Vaters zu bemerken, hob zustimmend die Schultern und machte ein ernstes Gesicht dazu. Zu groß war die Gefahr, dass man etwas als Scherz auslegte, das nicht so gemeint war. Und wenn man dann lachte, waren die Folgen gar nicht mehr lustig.

 

„Gott!“ murmelte der alte Herzog und sagte dann laut: „Aber warum erhört Gott nicht ihre Gebete? Oder betet sie nicht inständig genug um einen Sohn?“

 

Johann schwieg noch immer und betrachtete nun eingehend einen Käfer, der neben seinem Schuh spazierte. Der Käfer hatte lange Fühler und einen grün schillernden Panzer.

 

„Bemühen Sie sich denn ausreichend?“ Die Stimme des Vaters klang scharf.

 

„Ja, Vater, das tun wir“, erwiderte Johann gequält. Der Käfer hatte mittlerweile seinen Schuh erklommen. Modische Kuhmaulschuhe mit Schlitzen. Diese Schlitze steuerte der Käfer zielstrebig an.

 

„Ich bitte Euer Gnaden mir zu glauben, dass es nichts gibt, was wir uns sehnlicher wünschen.“ Die Fühler waren mitsamt dem grün schillernden Panzer in einem der Schlitze verschwunden.

 

„Sie dürfen sich zurückziehen, Hans.“ Das ließ Johann sich nicht zweimal sagen. Nach einer eifrigen Verbeugung eilte er davon.

 

Der Herzog sah seinem Sohn nach, der - warum auch immer - seinen linken Fuß sonderbar schlenkerte, und seufzte. Im Grunde schätzte Herzog Georg seine Schwiegertochter sehr. Sie war ausgesprochen volksnah und wurde von den Sachsen sehr geliebt. Sie war eine hübsche junge Frau, vierundzwanzig Jahre alt, fast so schön wie ihre Mutter Anna. Bei ihrer Schwiegermutter und deren Hofdamen war Elisabeth weit weniger beliebt. Vielleicht lag es an ihrer Jugend und Schönheit, vielleicht an ihrem Verstand, der sie den meisten Frauen am Hof überlegen machte und den sie ab und an benutzte, um sich für die ewigen Sticheleien bezüglich ihrer Kinderlosigkeit zu rächen. Vielleicht lag es daran, dass sie die einzige am Hof war, die ihm, dem regierenden Herzog, mit Unbefangenheit begegnete. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allem.

 

Allerdings war zu befürchten, dass Elisabeth sich bei ihrem Bruder mit der martinischen[1] Krankheit angesteckt hatte. Philipp von Hessen bekannte sich bereits offen zu Martin Luther. Das war der Grund, weshalb Herzog Georg ein Treffen der Geschwister zu verhindern wusste, denn wenn sich die beiden erst einmal wiedersahen, würde Philipp seine Schwester sicher vollends von dieser neuen, lästerlichen Lehre überzeugen und damit ihr Seelenheil gefährden. Dass die jungen Leute so leichtfertig damit umgingen! Sie dachten nicht daran, dass sie eines Tages sterben und vor Gott Rechenschaft ablegen mussten. Dann wäre es zu spät, sich noch zur rechten Lehre zu bekennen, um die Ewigkeit im himmlischen Frieden zu verbringen. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn Elisabeth am Hofe zu Dresden dann ihrerseits begänne, diesen gefährlichen Unsinn zu verbreiten. Aber so weit sollte es nicht kommen. Dafür würde er schon sorgen.

 

 

 



[1] martinisch nannte man damals die Anhänger Martin Luthers. Die Bezeichnung Protestanten kam erst im Jahre 1529 auf, als die martinischen Fürsten auf einem Reichstag gegen die Reichsacht über Luther protestierten.