Kommentar

 

Hallo Frau Zimmer,

ich hatte kürzlich in Büdingen die Freude, Sie kennenzulernen. Ich habe das Buch "Irische Mischung" von Ihnen gekauft, zugegebenermaßen primär weil darin endlich einmal erklärt wird, wie man die irischen Namen korrekt ausspricht.

Heute habe ich das letzte Kapitel beendet, und es ist Zeit für eine Rezension.

Ich hoffe, Sie können Kritik vertragen und werden es wegstecken wie ein Mann :-) , wenn ich Ihnen sage, daß Sie damit keinen Nobelpreis gewinnen werden. Damit ist der negative Teil meiner Kritik beendet.

Spaß beiseite, ich fand Ihr Buch erfrischend, leicht und angenehm zu lesen und unterhaltsam. So, wie wenn einem die freundliche Nachbarin oder die nette Kollegin vom letzten Urlaub erzählt. Genau die richtige Entspannungslektüre und natürlich genau das Richtige, um sich Appetit für einen Urlaub in Irland zu holen. Herzlichen Dank für die unbeschwerten Stunden, die ich mit Ihrem Werk verbracht habe.

 

Vielleicht sehen wir uns im Herbst in Reichelsheim

Habe die Ehre

 

R. Schmitt (per Email am 18. Juli 2011)


Leseprobe

 

Im Pub

 

Irland ist zweifellos für seine Pubs berühmt. Sie sind zahlreich, überall und eine wichtige Institution des öffentlichen Lebens. Vor allem aber auch des kirchlichen Lebens. Gottesdienst, Taufe, Kommunion, Hochzeit und Beerdigungen sind dort undenkbar ohne anschließenden Gang in den Pub, sozusagen eine Fortsetzung des Gottesdienstes, wie es in der Regel des Heiligen Benedikt nach sehr freier und typisch irischer Auslegung heißt. Von manchen Orten heißt es, dass es dort drei Häuser gebe und vier davon seien Pubs. Die irischen Pubs sind mal mehr oder weniger gemütlich, je nachdem ob sie mehr Wert auf offene Kamine oder Großleinwände legen.

Einen Pub mit Großleinwand habe ich einmal in Limerick erlebt. Ja, erlebt ist das richtige Wort, denn an diesem Nachmittag lief das Rugby-Spiel Irland gegen Frankreich und wurde live aus Paris übertragen. Auf ihre Rugbymannschaft sind die Iren sehr stolz, wenn auch ohne viel Grund, wie es die vorhergegangenen Jahre gezeigt hatten. Wenn ich mich recht erinnere, war es im Frühjahr 2000 etwa achtzehn Jahre her, dass Irland gegen Frankreich gewonnen hatte. Ich sollte vielleicht vorweg sagen, dass ich mich für Sport eigentlich gar nicht interessiere, überhaupt keine Ahnung davon habe und es mir auch in der Tat nicht wichtig ist. Aber an diesem Tag hatte mich das Rugby-Fieber innerhalb von fünf Minuten gepackt. Der Pub in Limerick war unglaublich voll. Von uns, einer wie immer bunten Mischung aus dem Hostel, nahm keiner Notiz. Alle starrten gebannt auf die Großleinwand, auf der sich ziemlich stabil aussehende Gentlemen die Köpfe einschlugen. Ganze Familien waren da, von der Granny bis zum kleinen Paddy, der in handgestrickter Jacke in seinem Buggy feststeckte. Da hat die Granny offenbar all ihre Aran-Island-Strickkunst aufgeboten und dem Kind einen ganzen Anzug gestrickt, der durch das aufwändige Muster und die irischgrüne Wolle so steif ist, dass der Kleine überhaupt keine Bewegungsfreiheit hat. Die Granny hat ihre Haare bläulich getönt und nippt an einem Cider, die dazugehörige Mama sieht ein bisschen genervt aus und kramt in ihrer Tasche, bis sie ein Spielzeug und Kekse für den Kleinen gefunden hat. An den Tischen am Rand langweilen sich aufgestylte Mädchen und schauen böse zu ihren Freunden hinüber, die genau wie der Papa des kleinen handgestrickten Paddy eingetaucht sind in eine Masse von Männerleibern, die sich schwitzend, fachsimpelnd und immer wieder aufschreiend vor der Leinwand versammelt hat. Männer in karierten Hemden, in schmutziger Arbeitskleidung, viele in den Trikots ihrer Helden, die über französischen Rasen stürmen und irische Ehre verteidigen. Das tun sie recht verzweifelt, denn es sieht nicht gut aus für die Iren. Gar nicht gut. Sie liegen weit zurück. Dieser Tatsache kann Mann nur mit der entsprechenden Dosis Guinness ins Auge sehen. Die Barmänner haben alle Hände voll zu tun, die Zapfhähne stehen niemals still, wie sich das bei solchen Gelegenheiten und für einen guten irischen Pub sowieso gehört. Es fließt immer mehr Guinness, weil die Iren immer weiter zurückfallen, schließlich ist der Punktestand so katastrophal, dass man sich den Whiskey reinschüttet. Ich werde mit meinem Orangensaft wie eine Vaterlandsverräterin angesehen.

Aber schließlich kommt doch noch eine Wende. Die Wende dürfte die zwanzig kaum überschritten haben, hat braune Locken, rennt wie ein geölter Blitz und heißt Brian O’Driscoll. Dieser Name tönt aus all den Rauch- und Whiskey gepflegten Kehlen. Und es ist wirklich gut, dieses Küken der Mannschaft. Und auch wir Ausländer können uns diesem Zauber nicht mehr entziehen. Ich bestelle sogar einen Cider und brülle mit aus Leibeskräften, als Brian O’Driscoll immer und immer wieder mit dem Rugby-Ball (heißt das Ding überhaupt so?) über den Platz stürmt, die Franzosen hinter sich lässt und das Ding entweder auf den Boden wirft oder zwischen zwei langen Stangen hindurch kickt. Irland holt auf, die Ehre ist nahe daran, wieder hergestellt zu werden, man hätte nun eigentlich keinen Grund mehr, Whiskey zu trinken, weil jetzt alles so schön ist, aber nun trinken sie Whiskey, eben weil sie jetzt alle auf dem Weg in den siebten Rugby-Himmel sind. Irland holt dank Brian O’Driscoll weiter auf. Echt Limerick’sche Rufe wie ‚Yeah, fock them french, fock them bastards!’ (Ja, mach die Franzosen fertig, diese Bastarde!) werden laut. Und auch wir brüllen fleißig mit. Die Kamera zeigt die irische Fankurve, in der sich dramatische Szenen abspielen. Die Männer vor Ort sind jetzt eins mit ihren Helden auf dem Rasen und da steht Limerick in nichts nach. Der Pub ist am Explodieren, der selbstgestrickte Paddy schreit auch aus Leibeskräften, allerdings nicht wegen Brian O’Driscoll, der den Gleichstand erzielt hat. Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Spielende. Alles brüllt und tobt, der Pub ist ein einziger Hexenkessel, die Barmänner zapfen nicht mehr, sondern starren gebannt auf die Großleinwand, wo sich nun das Schicksal der Nation entscheidet. Selbst die Mädels brüllen hysterisch ‚Brian!’, die Granny kippt einen Whiskey und die Mama zerbröselt einen Keks in ihrer geballten Faust. Nur noch drei Minuten bis zum Ende. Da kriegt Brian O’Driscoll wieder den Ball zu fassen, rast los, stößt alles, was irgendwie französisch aussieht, weit von sich, rennt was das Zeug hält, rennt für die Ehre der Nation, die jeder Ire höher schätzt als sein eigenes Leben. Und Brian O’Driscoll erzielt in der letzten Spielminute den Siegestreffer. Das Spiel ist aus und Irland hat gewonnen. Irland hat seit achtzehn Jahren mal wieder die Weltmeisterschaft im Rugby gewonnen. Gestandene Mannsbilder liegen sich schluchzend in den Armen verwischen ihre orange-weiß-grüne Schminke an den Bartstoppeln wildfremder Menschen, die Mädels versuchen, ihr Make up nicht vollkommen zu ruinieren und wischen mit spitzen Fingern unter den Augen entlang, wobei sie aufgeregt immer wieder seinen Namen flüstern, den Namen, der an diesem Tag mit so viel Ehrfurcht ausgesprochen wird, wie der Name Cuchullains. Sie gesellen sich wieder zu ihren Männern, die nach einer Weile wieder aufnahmefähig sind für die Welt diesseits der Leinwand und bestätigen gern und eifrig, dass Brian O’Driscoll ein wirklich cooler Typ ist. (Auch wenn sie diese Meinung aus anderen Gründen vertreten als ihre bierbäuchigen Männer.)